Kapitel 1: Der heilige Sankt Petrus oder auf diesem Felsen will ich bauen meine Kirche

Das erste Posting in einem neuen Blog ist immer mit einer besonderen Verantwortung verbunden und das Thema sollte wohl gewählt werden. Um gleich einmal zu zeigen, wo der Hammer hängt, möchte ich hier ganz oben einsteigen, dem heiligen Sankt Petrus gedenken und mit dem gleichnamigen Chateau beginnen. Zwei Proben unseres Weinkreises München & Freising standen unter dem Motto „Legenden aus Bordeaux“ und neben anderen Hochkarätern wie Latour a Pommerol 1961, Lafleur 1947 + 1950, La Romanee Conti 1923 und Chateau d’Yquem 1921 standen auch sechs Flaschen Chateau Petrus auf dem Prüfstand. Legenden umranken dieses Weingut und scheinen eine Substanz abzusondern, die die Sinne benebelt. Steht eine Flasche am Tisch, auf der das berühmte Etikett prangt, neigen sich die Häupter in Ehrfurcht, die Stimmen werden gedämpft und Kritik verbietet sich von selbst.

Aber warum ist das so? Ist das vielleicht nur deshalb so, weil ein Petrus inzwischen derart teuer ist, dass ihn kaum einer jemals getrunken hat und, wenn doch, dann nur wenige jüngere Jahrgänge? Solche Fragen fordern nahezu zwangsläufig zu einer kritischen Betrachtung heraus. Folgerichtig werden wir uns an dieser Stelle den Jahrgängen 1945, 1947, 1949, 1952 Abfüllung Sanders, 1952 Abfüllung Vandermeulen und 1955 widmen. Diese illustere Versammlung beinhaltet wahrlich Legenden und wir bewegen und in den mystischen Höhen des 100-Parker-Punkte-Adels. Das Resultat im Glas ist dann allerdings (zum Teil) ernüchternd:

Chateau Petrus 194515,0 / 85- Punkte

Recht transparentes Ziegel. Karges, leicht anmadeirisiertes Bukett mit etwas Hagebutte, UTA-Noten, schwarzem Tee und mineralischen Komponenten. Wirkt am Gaumen extrem unspektakulär und schwindet massiv dahin. Maximal noch mittlerer Körper, ein wenig Tannin, unterstützende Säure, die höher wirkt, als sie eigentlich ist, da kaum noch Stoff entgegensteht, Hagebutte und schwarzer Tee. Bei einem Preis von 1.500,- Euro ein depressives Erlebnis. Die Götterdämmerung für eine Legende. Die Flasche ist nach einhelligem Urteil weder gefälscht, noch war sie irgendwann in Ihrem langen Leben schlecht gelagert oder hat gar einen Hitzeschock abbekommen. Aufgrund des massiven holbelspanartigen Depots, muss man aber wohl konstatieren, dass sie dem White-Barolo-Phänomen (dazu in einem späterem Posting mehr) zum Opfer gefallen ist. All die Kraft und das Aroma, das der Wein – glaubt man allen relevanten Verkostern – wohl im Überfluss hatte, sind offensichtlich im Depot gelandet. Ich möchte diesem Wein jedoch zu Gute halten, dass es auch deutlich bessere Flaschen geben kann. Ist allerdings viel Depot vorhanden, sollte dieser Wein konsequent gemieden werden. Austrinken.

Sanders-Etikett. Füllstand: BON. 98 RP, 20 GAB, ***** MB.

Chateau Petrus 194718,7 / 96 Punkte

Sattes Altersrubin mit schwarzem Kern und Zinnoberrand. Sehr feines, ziseliertes und hochkomplexes Bukett mit Nussnoten, Himbeeren, Johannisbeeren, einem Hauch Speck und Alterssüße. Hat für sein Alter noch erstaunlich viel Frucht. Das ist richtig sexy und geht in Richtung Perfektion. Beginnt dann am Gaumen ebenfalls höchst spektakulär. Voller Körper, sehr dicht, noch erstaunliche Gerbstoffmengen über einem Untergrund aus bereits geschmolzenem Tannin, harmonische Säure, etwas rote Johannisbeere. Erstaunliche Balance auf hohem Niveau der Einzelkomponenten. Mit Luft wird der Wein dann weicher und fast sahnig in seiner Konsistenz, aber leider auch etwas weniger faszinierend. Könnte ein wenig mehr Länge vertragen. Dennoch ein beeindruckender Altwein, der den Höhepunkt leicht überschritten hat, aber auf diesem Niveau noch länger stabil bleiben wird. Bis 2020.

Sanders-Etikett. Füllstand: VTS. 100 RP, 19 GAB, ***** MB.

Chateau Petrus 194918,0 / 94- Punkte

Rubin mit Braunreflexen und orangem Rand. Typisches komplexes Altweinbukett mit Speck, etwas Salami, Trüffeln und Altersüße. Kommt richtig burgundesk daher und wäre bedingungslos faszinierend, wenn da nicht ein leichter Essigstich wäre. Am Gaumen dann etwas ernüchternd. Es fehlt ein wenig an Alterssüße und der Wein wirkt im Gegensatz zum beinahe opulenten Bukett eher karg. Maximal mittlerer bis voller Körper, angeschmolzenes Tannin, balancierte Säure, rote Johannisbeeren und etwas herbe Preiselbeere. Leider stört auch hier der Essigester und ich muss befürchten, dass es sich um ein prinzipielles Problem dieses Petrus-Jahrgangs handelt und nicht um einen Flaschenfehler. Aber bei Bouteillen dieses Alters weiß man ja nie. Dennoch ein Wein, der sich an der Grenze zur Größe bewegt, diese aber nicht überschreitet. Kein weiteres Potenzial. Austrinken.

Sanders-Etikett, Korken blank. Füllstand: US. 98 WS, 95 – 100 RP, **** MB(90).

Chateau Petrus 1952 (Abfüllung Sanders): 18,0 / 94- Punkte

Rubin mit dunklem Kern und einem Hauch Orange am Rand. Komplexes und strukturiertes Altweinbukett mit Preiselbeeren, Hagebutten, etwas Schokolade, Alterssüße, einem wenig Likör und mineralischen Komponenten. Mit seiner leicht säuerlich wirkenden Schärfe erinnert die Nase irgendwie an einen Rioja. Am Gaumen dann etwas karg. Vielleicht wirkt die Säure dadurch eine Spur zu hoch, um als vollständig harmonisch bezeichnet werden zu können, aber die Balance ist dennoch ausgezeichnet. Guter mittlerer Körper, geschmolzenes Tannin, herbe rote Früchte, Preiselbeeren, Alterssüße, eine Spur Waldboden, etwas Kakao und Schokolade. Mittler Länge. Ein hervorragender, aber keinesfalls großer Altwein, der jedoch neben dem 1955er Petrus verblasst. Noch in guter Trinkreife, allerdings ohne jedes weitere Potenzial. Bis 2020.

Chateau-Etikett. Rote Kapsel. Abfüllung und Korkbrand: Sanders. Füllstand: BON. 17 GAB, ***** MB(00).

Chateau Petrus 1952 (Abfüllung Vandermeulen): 17,0 / 91- Punkte

Rubin mit dunklem Kern. Mittelkräftiges Bukett mit schwarzem Tee, etwas Früchtetee, animalischen Komponenten (jedoch kein Leder), Alterssüße und Waldboden. Vielleicht ein Minihauch Kartoffelsack. Geht deutlich in Richtung Burgund. Am Gaumen dann ziemlich karg. Guter mittlerer Körper, deutliches Tannin, unterstützende Säure, viel schwarzer Tee, Waldboden, Cassis und rote Früchte. Leider auch hier ein wenig Kartoffelsack. Hat zwar kein TCA, wirkt aber irgendwie leicht unsauber und zieht im Vergleich zur Sanders-Abfüllung klar den Kürzeren. In dieser Verfassung ziemlich am Ende, aber ich bin nicht sicher, ob diese Flasche repräsentativ ist. Austrinken.

Abfüllung: Vandermeulen. Füllstand: US. 17 GAB, ***** MB(00).

Chateau Petrus 1955 (Sanders-Abfüllung): 19,3 / 98 Punkte

Wunderschönes Rubinrot mit einem ins Orange übergehenden Rand. Faszinierendes Altweinbukett mit viel Kaffee, Kaffepulver und Alterssüße, das aus dem Glas knallt. Weiterhin Cassis, ein wenig rote Johannisbeere, rote Paprika, phenolische Komponenten, Kakao und etwas Waldboden. Komplex, strukturiert und tief. Am Gaumen genauso verführerisch, sexy und exotisch. Mittlerer bis voller Körper, Kakaotannin, balancierte Säure, Kaffepulver, Kaffee und Alterssüße. Großes Kino und mit etwas mehr Stoff wäre der Wein perfekt. Genauso stelle ich mir Petrus in Hochform vor und wenn man diesen Wein im Glas hat, weiß man auch, warum viele Menschen geneigt sind, so viel Geld für dafür ausgeben. Sehr gute Trinkreife, aber ohne großes weiteres Potenzial (nur warum sollte man mit dem Trinken noch warten wollen?). Bis 2020+.

Chateau-Etikett. Rote Kapsel. Abfüllung und Korkbrand: Sanders. Füllstand: TS. 91 WS, 18 GAB (98), **** MB (95)

Diesen Notizen kann ich eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. In einer von sechs Flaschen, dem 1955er, war ein wahrhaft großer, bedingungslos faszinierender Altwein, der zeigt zu was ein Petrus in der Lage ist, wenn alles stimmt. Chateau Petrus, wie sich der ambitionierte Weintrinker einen gereiften Chateau Petrus vorstellt. Die Legendenbildung ist nachvollziehbar, eine Diskussion erübrigt sich und die Preisgestaltung ist zumindest begreifbar.

Das gesamte Bild ist jedoch differenzierter. Vier der anderen fünf Flaschen sind hochinteressant und man trinkt sie gerne. Ob der Erwartungshaltung bleiben dennoch Fragezeichen und der 1945er ist gar ein Desaster. Aber wie bei allen Altweinen gilt das Motto: „Es gibt keine guten Weine mehr, sondern nur noch gute Flaschen“. Und die Preisdiskussion möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst eröffnen (denn schließlich und endlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er bereit ist Weine im Wert eines Kleinwagens die Kehle hinunter zu jagen, nur um ein grandioses Erlebnis zu erfahren).

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