Kapitel 4: High Road to China

Dezember 26th, 2011

China ist in aller Munde und so dachte sich der Decanter unlängst wohl, dass es einmal Zeit wäre, eine richtig gute Bewertung an einen chinesischen Wein zu vergeben. Getroffen hat es den Jia Bai Lan Cabernet 2009 des Weingutes Helan Qing Xue, der bei den Decanter World Wine Awards 2011 mit einer International Trophy ausgezeichnet wurde. Der Wein kommt aus dem autonomen Gebiet Ningxia im zentralen Norden Chinas. Die Region mit der Hauptstadt Yinchuan zählt mit ihren ca. 6,25 Mio. Einwohner zu den kleinsten und bevölkerungsärmsten in China.

Die Auszeichnung vom Decanter löste einen enormen Hype aus, der dazu führte, dass der Wein am Markt quasi nicht erhältlich war. Seit Dezember 2011 wird der Wein, dessen Gesamtproduktion ca. 13.000 Flaschen beträgt, jedoch zumindest in China vertrieben. Die preisliche Einordnung ist schwierig. Ältere Jahrgänge wurden für 220.- RMB (ca. 25.- Euro) verkauft, beim Jahrgang 2009 muss man wohl mit 500.- RMB aufwärts rechnen. Gelegentlich taucht der Wein in Restaurants auf, wo er z. B. in Peking für 700.- RMB (ca. 80.- Euro) gesichtet wurde. Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Hypes steht aber auch zu befürchten, dass eine Markteinführung zu vierstelligen Preisen in RMB vorgenommen wird.

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KW 11/2011: Shibumi Knoll, Chardonnay „Buena Tierra Vineyard“, Russian River Valley AVA, 2007

März 15th, 2011

1111B Shibumi Knoll CH Buena Tierre Vineyard 2007Bei Shibumi Knoll handelt es sich um eine kleine Boutique Winery, die in Deutschland – zu Unrecht – so gut wie unbekannt ist. Das Weingut liegt auf einem kleinen Anwesen ca. 6 km im nördlich von St Helena im Napa Valley und verfügt über eine ca. 0,3 ha große Rebfläche, die mit Cabernet Sauvignon bepflanzte ist und früher ein Teil des Vineyard 29 von Aida war. Eigentümer ist Don Ross, ein langjähriger Weinliebhaber, der das Anwesen zusammen mit seiner Frau Joann im Januar 2003 erworben hat. Verantwortlich für den Weingarten ist David Abreu, einer der besten Weingartenmanager der Welt, und für die Weine Chris Dearden.

Die Produktline bei Shibumi Knoll basiert auf einem außerordentlich empfehlenswerten Cabernet Sauvignon, der das Zeug hat in der Icon Class des kalifornischen Cabernets mitzuspielen, und in einer Größenordnung von etwa 1.500 Flaschen pro Jahr hergestellt wird. Später kam dann der Chardonnay aus dem Buena Tierra Vineyard in der Appelation Russian River im Sonoma Valley dazu. Von diesem Wein gibt es etwa 3.000 Flaschen pro Jahr. Weiterhin wird auch über einen Pinot Noir aus den Santa Rita Hills in Santa Barbara nachgedacht.

Auf Shibumi Knoll bin ich zum ersten Mal durch eine Wine-Spectator-Bewertung von 97 Punkten für den Vorgängerjahrgang 2005 des hier vorgestellten Wein aufmerksam geworden (2006 wurde aufgrund mangelnder Traubenqualität kein Chardonnay produziert) und habe mich einmal in die Mailing-Liste dort eingetragen. Inzwischen harrt nahezu das vollständige Programm von Shibumi Knoll bei mir im Keller der Verkostung. Ich werde berichten.

Shibumi Knoll, Chardonnay „Buena Tierra Vineyard“, Russian River Valley AVA, 2007

Sehr elegantes, zartmineralisches Bukett mit sanftem nussigen Toast, einem dezenten Fruchtkomplex aus Pink Grapefruit, süßer Birne, Banane und Mirabelle, gut eingebundener Extraktsüße und aufkommenden rauchigen Komponenten. Am Gaumen mit enormer Präsenz und Harmonie sowie perfektem Holzeinsatz. Voller Körper, harmonische Säure, Haselnüsse, geröstete Eicheln, dezente Vanillenoten, etwas Banane und Birne. Im Untergrund schwingt eine sanfte mineralische Ader mit. Sahne und Extraktsüße im langen Abgang. Der Wein ist schon sehr zugänglich, atemberaubend elegant, mit einem enormen Spaßfaktor ausgestattet ohne auch nur den Ansatz eines Strukturdefizites aufzuweisen und dabei in jeder Faser hochklassig. Es ist schon erstaunlich, dass etwas so seriöses so lecker sein kann. Gibt jetzt alles. Bis 2012.

Shibumi Knoll wird zwar in Deutschland nicht vertrieben, der Wein taucht jedoch gelegentlich auf Auktionen, z. B. bei der Munich Wine Company (www.munichwinecompany.com), bei Preisen um 110.- Euro auf.

18,3 / 95 Punkte

Kapitel 3: Madeira oder wenn harte Männer weinen (Director’s Cut)

März 6th, 2011

Für meinen ersten Abstecher nach Madeira möchte ich einen Text wählen, den ich in einer gekürzten Version bereits in der Herbstausgabe 2004 des Weinmagazines „Divino“ veröffentlicht habe. Da Platzerwägungen an dieser Stelle keine Rolle spielen müssen, hier der Text in voller Schönheit, sprich Länge – sozusagen als „Director’s Cut“.

Vielleicht mag der eine oder andere ja mangelnde Aktualität monieren, aber beim Thema Madeira mit Weinen, die 200 Jahre und mehr reifen können, erscheinen mir einige wenige Jahre von untergeordneter Bedeutung. Ich habe diesen Artikel auch damals verfasst, um meine Faszination für Madeira auszudrücken und bisher wenig gefunden, was dem besser nahe gekommen wäre. Aber urteilen Sie selbst:

Leider gibt es nur noch wenige Orte auf unserer immer hektischer werdenden Welt, an denen die Zeit stillzustehen scheint. Die Kellerei von Artur de Barros e Sousa ist einer davon. „Come in, come in. You like to taste some wine?“ hüpft uns ein gar freundliches Männlein so um die 60 entgegen, als wir ein typisches Madeirafass mit Willkommensgrüßen in 5 Sprachen passiert haben und in das Halbdunkel eines Durchgangs zu einem Verkostungsraum abgetaucht sind. Mit seiner an chinesischen Mao-Look erinnernden grauen Arbeitsjacke, grauen, nur noch spärlich sprießenden Haaren und etwa einem Meter sechzig Körpergröße, strahlt er eine erstaunliche Energie und Lebensfreude aus. An den Seiten des Durchgangs sind Lodge-Pipes aufgereiht, Fässer in denen Madeira über viele Jahre heranreifen muss, um sich dereinst zu strahlender Schönheit aufzuschwingen. Darüber Batterien von gefüllten Flaschen in Dreierreihen. Alles strahlt hier einen rustikalen, zeitlosen Charme aus. Wir sehen Senhor Barros zu einem Regal mit Verkostungsflaschen eilen und einige davon herausnehmen.

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KW 10/2011: Weingut August Kesseler, Riesling Kabinett „Lorcher Schlossberg“, Rheingau, 2005

März 6th, 2011

Auch wenn es nicht besonders innovativ erscheinen mag einen Wein von August Kesseler, einem der anerkannt besten Winzer in Deutschland, hier hervorzuheben, möchte ich das aus folgenden Gründen dennoch gerne tun: (1) Zum einen ist August Kesseler hauptsächlich für seine teuren Pinot Noirs berühmt, wobei ich seine – deutlich preisgünstigeren – Rieslinge im objektiven Vergleich höher bewerten muss. Dies hat damit zu tun, dass bei Pinot Noir das Burgund – egal wie viele mittelmäßige bis grauenvolle Weine dort produziert werden – in der absoluten Spitze immer noch die Maßstäbe setzt, während bei Riesling die Maßstäbe in Deutschland definiert werden. (2) Weiterhin wird das Thema Riesling zunehmend von superreifen Alkoholbomben – man denke hier nur an den Unendlich von FX Pichler – dominiert und der einst mit vollem Recht berühmte Kabinettstil gerät immer mehr in Vergessenheit. (3) Auch tendiert eine Mehrheit der Verbraucher dazu, Weine in ihrer Jugend zu trinken, lange bevor sie wirkliche Trinkreife erreicht haben. Dies finde ich sehr schade und eigentlich auch ein Missachtung all der harten Arbeit, die ein Winzer während des Jahres zur Erzeugung eines Spitzenweines aufwenden muss. Deshalb hier ein archetypisches Riesling-Kabinett in sehr guter Trinkreife zu einem günstigen Preis, das sogar noch ab Weingut erhältlich ist:

Weingut August Kesseler, Riesling Kabinett „Lorcher Schlossberg“, Rheingau, 2005

Strohgelb mit Grünreflexen. Duftiges, transparentes Riesling-Bukett mit Zitrusnoten, gezuckerter Grapefruit, Pfirsich, aufkommenden floralen Komponenten und einem Minihauch Petrol. Wird mit Belüftung immer mineralischer. Am Gaumen leicht, beschwingt und in perfekter Trinkreife. Guter mittlerer Körper, balancierte Säure, zartschmelzende Restsüße, beeindruckende Mineralität und ein erstaunlich dichter Fruchtkern, in dem der Weinbergspfirsich dominiert und der von Zitrusnoten abgerundet wird. Langer sahnig-cremiger Abgang, in dem die reintönigen Pfirsichnoten wieder hochkommen. Ein archetypisches, exemplarisches Kabinett aus dem oberen Rheingau. Bis 2015+.

9,5 % A. AP 004/06. 8,50 Euro ab Hof

17,0 / 91 Punkte

Kapitel 2: Das White-Barolo Phänomen

März 2nd, 2011

Weißer Barolo!? Viele werden jetzt die Stirn runzeln und mit einem gewissen Recht anmerken „Es gibt keinen weißen Barolo!“ Und den ersten April haben wir auch nicht. Aber höret, auch wenn es noch so unwahrscheinlich erscheinen mag, so muss ich Euch erwidern „Und es gibt ihn doch!“. Lasset mich also den Beweis antreten.

Vor einiger Zeit begann ich mich intensiv mit dem Thema „Gereifte Barolos“ auseinanderzusetzen. Junger Barolo steht in meiner Wertschätzung schon seit längerer Zeit ganz oben und was jung so gut ist, kann im reifen Zustand zumindest nicht schlecht sein. Ich habe mich folglich bei mehreren seriösen Quellen auf die Suche nach geeigneten Weinen anerkannter Produzenten aus hervorragenden Jahrgängen der 40er und 50er Jahre begeben. Dabei ist mir folgendes aufgefallen: Manche Weine, speziell aus den absoluten Spitzenjahrgängen 1947 und 1958, hatten – zumindest soweit man das durch das Glas der Flasche sehen konnte – eine wasserklare Farbe und ein massives Depot in Form von Hobelspänen von einigen Zentimetern Höhe. Der kundige Weintrinker (und zu Beginn auch ich) würde nun daraus schließen, dass diese Weine hinüber und von solchen Flaschen tunlichst die Finger zu lassen wären. Da mich solche höchst seltsamen Phänomene andererseits auch wieder anspornen den Dingen auf den Grund zu gehen, habe ich dennoch einige der genannten Flaschen erworben.

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KW 01/2011: Kellerei Nals-Magreid, Goldmuskateller „Weinberg Dolomiten“, Südtirol, 2009

Januar 2nd, 2011

Helles Gold mir Grünreflexen. Sehr ansprechendes, (dezent) aromatisches, extrem klares und sauberes Bukett mit Rosenblättern, Birnenkompott, Pflaumen, einem Hauch weißen Pfeffer und dezenten phenolischen Bitternoten über einem mineralischen Untergrund. Besticht auch am Gaumen durch seine außergewöhnliche Klarheit. Mittlerer bis voller Körper, balancierte Säure, schöne ausgewogene Restsüße, zartcremige Textur, ein wenig Gerbstoff, Lychees, Rosenblüten und wieder Birnenkompott. Beeindruckend, wie eigentlich das ganze Weißweinprogramm der Kellerei Nals-Magreid nach dem Zusammenschluss. Es ist erstaunlich, wie viel Wein heutzutage noch für relativ wenig Geld möglich ist. Bis 2014.

13,0 + 1,5 % A. 6,80 Euro ab Hof.

16,7 / 90 Punkte

Kapitel 1: Der heilige Sankt Petrus oder auf diesem Felsen will ich bauen meine Kirche

Januar 2nd, 2011

Das erste Posting in einem neuen Blog ist immer mit einer besonderen Verantwortung verbunden und das Thema sollte wohl gewählt werden. Um gleich einmal zu zeigen, wo der Hammer hängt, möchte ich hier ganz oben einsteigen, dem heiligen Sankt Petrus gedenken und mit dem gleichnamigen Chateau beginnen. Zwei Proben unseres Weinkreises München & Freising standen unter dem Motto „Legenden aus Bordeaux“ und neben anderen Hochkarätern wie Latour a Pommerol 1961, Lafleur 1947 + 1950, La Romanee Conti 1923 und Chateau d’Yquem 1921 standen auch sechs Flaschen Chateau Petrus auf dem Prüfstand. Legenden umranken dieses Weingut und scheinen eine Substanz abzusondern, die die Sinne benebelt. Steht eine Flasche am Tisch, auf der das berühmte Etikett prangt, neigen sich die Häupter in Ehrfurcht, die Stimmen werden gedämpft und Kritik verbietet sich von selbst.

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Intro (Non-Fantasy-Version)

Januar 1st, 2011

Wie sagte Russel Casse in Independence Day so schön als der Lösemechanismus seiner letzten Sidewinder-Rakete versagte und er seine F-16 in den Strahlenwerfer der Primärwaffe des riesigen außerirdischen Raumschiffes flog: „Hallo Freunde, ich bin da„. Allerdings ist daraufhin das Raumschiff von innen heraus explodiert und vom armen Russel Casse blieb nur noch ewiger Ruhm. Während im Film die Handlung – und damit die Welt – gerettet war, wäre realiter ein abrupter Abgang nach furiosem Start nur das halbe Vergnügen, und deshalb werde ich Euch wohl noch ein wenig länger erhalten bleiben. Read the rest of this entry »

Präludium

Januar 1st, 2011

Seid gegrüßt Ihr edlen Streiter,

die da kreuzen auf endlosen Meeren, gefüllt mit den funkelnden Tränen der Reben, gesegneter Erde abgerungen nach alter Väter Brauch, von denen, die sich berufen fühlen, mit harter Arbeit und großer Hoffnung, aber nur selten zu Ruhm und Ehre gereichend.

Seid gegrüßt, die Ihr da auf der Suche seid nach Neuem und Unbekanntem und dabei umschiffen müsst manch sandige Untiefen, allzeit bereit Euch saugend und schmatzend zu verschlingen. Ihr, die Ihr vermeiden müsst Klippen groß und furchtbar wie Zyklopen, stets geneigt Euch zu zerschmettern und ins blutrote Wasser zu stoßen, um dort von unsäglichen und grauenvollen Wesen mit gierigen und eiskalten Finger umfasst und in entsetzliche Tiefen gezogen zu werden. Ihr, die Ihr Euch entziehen müsst den scharfen und spitzen Riffen, um nicht zu stranden auf ödem und trockenem Eiland, darbend nach ein paar Tropfen des Tranks, der da stillet allen Durst. Hisset dennoch die Segel und strebet voran, mutig und beherzt, wenngleich nicht jeder, der da suchet auch finden wird und enden in trostloser Finsternis, wehklagend und bar jeder Hoffnung. Denn die, die finden, werden reich belohnt werden. Sie werden erkennen, entrissen der stockdunklen Nacht und geführt in das strahlende Licht des neuen Tages. Voll von göttlichem Elixier und uralter Weisheit. Und sie werden frei sein.

Seid gegrüßt, die Ihr da versuchen wollt zu zähmen das Biest, gewandet in rote und weiße Farben, widerspenstig, gefährlich und ständig versuchend Euch abzuwerfen. Das Euch beißen wird zu Beginn mit messerscharfen Zähnen oder treten mit kantigen Hufen aus Metall, Euch heimsuchen wird mit manch merkwürdigem Duft und Medizin so bitter wie grässilichstes Kraut. Aber seid standhaft, auch seine Kräfte sind begrenzt. Nach einiger Zeit wird es erschöpft sein, sein Widerstand wird brechen und es wird dulden seinen neuen Herrn. Es wird dann neben Euch trotten und zum treuen Begleiter werden. Und Ihr werdet es niemals mehr missen wollen.

Mögen diese Schriften ein Leuchtfeuer sein, zum Himmel emporlodernd, um zu dringen bis an fernen Horizont. Mögen Sie Euch den Weg weisen, Euch leiten und Euch ein steter Quell des Wissens sein. Mögen sie Euch die Kraft geben, um niemals innezuhalten auf steinigem Pfade und eine ständige Mahnung immer wieder aufzubrechen zu neuen Ufern. Und mögen Sie Euch niemals enttäuschen.

Gehabet Euch also wohl und lasset Euch nicht entmutigen. Möge der klumpfüßige Korkteufel uns verschonen, der Tanninwolf uns niemals aufspüren und essigsaurer Schierlingssaft fern an uns vorüberziehen. Mögen wir Manna und Ambrosia in unseren Gläsern finden, möge Unentdecktes uns erfreuen und mögen unsere Zungen auf ewig kundig bleiben.

W. E. Frank