Kapitel 4: High Road to China

China ist in aller Munde und so dachte sich der Decanter unlängst wohl, dass es einmal Zeit wäre, eine richtig gute Bewertung an einen chinesischen Wein zu vergeben. Getroffen hat es den Jia Bai Lan Cabernet 2009 des Weingutes Helan Qing Xue, der bei den Decanter World Wine Awards 2011 mit einer International Trophy ausgezeichnet wurde. Der Wein kommt aus dem autonomen Gebiet Ningxia im zentralen Norden Chinas. Die Region mit der Hauptstadt Yinchuan zählt mit ihren ca. 6,25 Mio. Einwohner zu den kleinsten und bevölkerungsärmsten in China.

Die Auszeichnung vom Decanter löste einen enormen Hype aus, der dazu führte, dass der Wein am Markt quasi nicht erhältlich war. Seit Dezember 2011 wird der Wein, dessen Gesamtproduktion ca. 13.000 Flaschen beträgt, jedoch zumindest in China vertrieben. Die preisliche Einordnung ist schwierig. Ältere Jahrgänge wurden für 220.- RMB (ca. 25.- Euro) verkauft, beim Jahrgang 2009 muss man wohl mit 500.- RMB aufwärts rechnen. Gelegentlich taucht der Wein in Restaurants auf, wo er z. B. in Peking für 700.- RMB (ca. 80.- Euro) gesichtet wurde. Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Hypes steht aber auch zu befürchten, dass eine Markteinführung zu vierstelligen Preisen in RMB vorgenommen wird.

Da ich das Glück hatte, diesen hyperseltenen Tropfen spätabends bei einer bekannten chinesischen Weinjournalistin in Shanghai verkosten zu dürfen – vielen Dank nochmals Susie –, hier einmal eine erste Einschätzung:

Helan Qing Xue, Jia Bei Lan, Cabernet Dry Red Wine, Ningxia, 2009

Angealtertes Schwarz-Violett. Leicht angekochtes, oxidatives Cabernet-Bukett mit Blüten, Parfüm, getrockneten Blaubeeren, etwas Johannisbeere, ein wenig Blut, grünem Pfeffer und Gewürzen über einem extraktsüßen Untergrund. Am Gaumen ein Wiederstreit zwischen Extraktsüße und grün-vegetalen Noten. Voller Körper, durchaus Säure, nussig wirkendes Tannin, etwas grüne Paprika, Cassis und grüner Pfeffer. Rosinen im Abgang. Ohne die angekocht-oxidativen Noten wäre der Wein wirklich hervorragend, aber so bleibt der seltsame Spagat zwischen Überreife und grün-unreifen Noten. Alles in allem darf man den Wein jedoch nicht verreißen (speziell da er sicherlich der beste Wein ist, den ich bisher aus China getrunken habe). Bis 2016.

16,0 / 88 Punkte

Inzwischen ranken sich bereits Verschwörungstheorien um den Wein und im Internet wird kolportiert, dass der Wein gar nicht aus China stammen und ausländisches Traubenmaterial verwendet worden sein soll. Ich kann das nicht abschließend beurteilen, möchte jedoch darauf hinweisen, dass es sich hier keinesfalls um einen Überwein handelt, der die Weinwelt in Furcht und Schrecken versetzt (und eine Bronzemedaille vom Decanter auch genug gewesen wäre). Insofern kann ich nur sinngemäß Dieter Bohlen zitieren, der auf die Anschuldigungen, nicht selbst bei Modern Talking gesungen zu haben, immer erwiderte: „Leute, bei dieser dünnen, quäkigen Stimme, die niemand wirklich vom Sessel reißt, könnt ihr mir doch bitte zugestehen, dass ich die Titel auch selber eingesungen habe“. Und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.

Tags: , , , ,

Leave a Reply