Archive for März 6th, 2011

Kapitel 3: Madeira oder wenn harte Männer weinen (Director’s Cut)

Sonntag, März 6th, 2011

Für meinen ersten Abstecher nach Madeira möchte ich einen Text wählen, den ich in einer gekürzten Version bereits in der Herbstausgabe 2004 des Weinmagazines „Divino“ veröffentlicht habe. Da Platzerwägungen an dieser Stelle keine Rolle spielen müssen, hier der Text in voller Schönheit, sprich Länge – sozusagen als „Director’s Cut“.

Vielleicht mag der eine oder andere ja mangelnde Aktualität monieren, aber beim Thema Madeira mit Weinen, die 200 Jahre und mehr reifen können, erscheinen mir einige wenige Jahre von untergeordneter Bedeutung. Ich habe diesen Artikel auch damals verfasst, um meine Faszination für Madeira auszudrücken und bisher wenig gefunden, was dem besser nahe gekommen wäre. Aber urteilen Sie selbst:

Leider gibt es nur noch wenige Orte auf unserer immer hektischer werdenden Welt, an denen die Zeit stillzustehen scheint. Die Kellerei von Artur de Barros e Sousa ist einer davon. „Come in, come in. You like to taste some wine?“ hüpft uns ein gar freundliches Männlein so um die 60 entgegen, als wir ein typisches Madeirafass mit Willkommensgrüßen in 5 Sprachen passiert haben und in das Halbdunkel eines Durchgangs zu einem Verkostungsraum abgetaucht sind. Mit seiner an chinesischen Mao-Look erinnernden grauen Arbeitsjacke, grauen, nur noch spärlich sprießenden Haaren und etwa einem Meter sechzig Körpergröße, strahlt er eine erstaunliche Energie und Lebensfreude aus. An den Seiten des Durchgangs sind Lodge-Pipes aufgereiht, Fässer in denen Madeira über viele Jahre heranreifen muss, um sich dereinst zu strahlender Schönheit aufzuschwingen. Darüber Batterien von gefüllten Flaschen in Dreierreihen. Alles strahlt hier einen rustikalen, zeitlosen Charme aus. Wir sehen Senhor Barros zu einem Regal mit Verkostungsflaschen eilen und einige davon herausnehmen.

(mehr …)

KW 10/2011: Weingut August Kesseler, Riesling Kabinett „Lorcher Schlossberg“, Rheingau, 2005

Sonntag, März 6th, 2011

Auch wenn es nicht besonders innovativ erscheinen mag einen Wein von August Kesseler, einem der anerkannt besten Winzer in Deutschland, hier hervorzuheben, möchte ich das aus folgenden Gründen dennoch gerne tun: (1) Zum einen ist August Kesseler hauptsächlich für seine teuren Pinot Noirs berühmt, wobei ich seine – deutlich preisgünstigeren – Rieslinge im objektiven Vergleich höher bewerten muss. Dies hat damit zu tun, dass bei Pinot Noir das Burgund – egal wie viele mittelmäßige bis grauenvolle Weine dort produziert werden – in der absoluten Spitze immer noch die Maßstäbe setzt, während bei Riesling die Maßstäbe in Deutschland definiert werden. (2) Weiterhin wird das Thema Riesling zunehmend von superreifen Alkoholbomben – man denke hier nur an den Unendlich von FX Pichler – dominiert und der einst mit vollem Recht berühmte Kabinettstil gerät immer mehr in Vergessenheit. (3) Auch tendiert eine Mehrheit der Verbraucher dazu, Weine in ihrer Jugend zu trinken, lange bevor sie wirkliche Trinkreife erreicht haben. Dies finde ich sehr schade und eigentlich auch ein Missachtung all der harten Arbeit, die ein Winzer während des Jahres zur Erzeugung eines Spitzenweines aufwenden muss. Deshalb hier ein archetypisches Riesling-Kabinett in sehr guter Trinkreife zu einem günstigen Preis, das sogar noch ab Weingut erhältlich ist:

Weingut August Kesseler, Riesling Kabinett „Lorcher Schlossberg“, Rheingau, 2005

Strohgelb mit Grünreflexen. Duftiges, transparentes Riesling-Bukett mit Zitrusnoten, gezuckerter Grapefruit, Pfirsich, aufkommenden floralen Komponenten und einem Minihauch Petrol. Wird mit Belüftung immer mineralischer. Am Gaumen leicht, beschwingt und in perfekter Trinkreife. Guter mittlerer Körper, balancierte Säure, zartschmelzende Restsüße, beeindruckende Mineralität und ein erstaunlich dichter Fruchtkern, in dem der Weinbergspfirsich dominiert und der von Zitrusnoten abgerundet wird. Langer sahnig-cremiger Abgang, in dem die reintönigen Pfirsichnoten wieder hochkommen. Ein archetypisches, exemplarisches Kabinett aus dem oberen Rheingau. Bis 2015+.

9,5 % A. AP 004/06. 8,50 Euro ab Hof

17,0 / 91 Punkte